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Montag, 27. August 2012

4. Special Forces Workshop in Güstrow


Der vom Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit „Baltic Shooters“ durchgeführte „Special Forces Workshop (SFW)“ zählt mittlerweile zu den festen Größen der „Tactical Community“.

Foto: JPW

Interessierte Spezialeinheiten aus dem In- und Ausland reisen dazu nach Güstrow (M-V) an – auch diesen Sommer wieder.


2008 war während einer Fortbildung des SEK M-V im Zusammenwirken mit der Schießausbildungsfirma „Baltic Shooters“ die Idee herangewachsen, Ausbilder polizeilicher Spezialeinheiten zu einem praktischen Erfahrungs- und Gedankenaustausch zu versammeln. Als idealer Ort bot sich der nur 50 Kilometer von der Landeshauptstadt Schwerin gelegene ehemalige kaiserliche Schießplatz in Güstrow an — heute Heimat der dortigen „Privilegierten Schützengesellschaft“. Und so fackelte man nicht lange: Gemeinsam stellten das SEK M-V und Frank Thiel von „Baltic Shooters“ den „Special Forces Workshop“ auf die Beine. 2009 fand die erste Ausgabe statt. Zum diesjährigen mittlerweile 4. SFW waren 41 Zwei-Mann-Teams Ende Juli in die Barlachstadt gekommen, darunter Italiener, Luxemburger, Österreicher und Polen. Deutscherseits war der Nordverbund – alle Bundesländer oberhalb der Mainlinie – stark vertreten. Dazu kam ein Team des Zollkriminalamtes sowie Teams aus des dem süddeutschen Raum.

In bewährter Art und Weise war auch der 4. SFW zweigeteilt, indem er Fortbildungsmaßnahmen und Wettkampf miteinander kombinierte. Den Fortbildungsteil der Veranstaltung organisierte und koordinierte Frank Thiel von „Baltic Shooters“ unter fachlicher Aufsicht des SEK Mecklenburg-Vorpommern, während das SEK M-V die Federführung beim Vergleichswettkampf übernahm.

Benelli-Workshop für taktische Flinte. Foto: JPW
 
Fortbildung
Naturgemäß steht bei der Veranstaltung die taktische Schießfortbildung in Form von Workshops im Vordergrund. Nicht, weil das die Spezialbeamten nicht könnten, sondern vornehmlich, um durch „Blicke über den Tellerrand“ Impulse für die eigene Aus- und Fortbildung und deren Methodik zu erhalten.
Dazu kommt der Umgang mit nicht alltäglichen Waffen sowie Führungs- und Einsatzmitteln, die im Fall der Fälle aber beherrscht werden müssen. Die Waffenhersteller Benelli, Schmeisser (dieses Jahr unterstützt von Viking Tactics Deutschland) und SIG Sauer hatten erfahrene Ausbilder auf den Schießplatz entsandt, die den Teilnehmern Schieß- und Handhabungstechniken mit den im allgemeinen Polizeialltag noch nicht üblichen Selbstladegewehren (zumeist AR-15-Derivate) sowie Repetier- und Selbstladeflinten vermittelten.


Schmeisser/Viking Tactics Deutschland-Workshop: Wechsel von Rechts- auf Linksanschlag. Foto. JPW

SIG Sauer Workshop: "Rosi" vermittelt Anschlagarten mit SIG 516. Foto: JPW
 
Glock führte einen auf die Schießtechnik mit ihren Pistolen – bei Spezialeinheiten des Nordverbundes und des Bundes Standardwaffen – optimierten Workshop durch. Dazu kamen seitens der Baltic-Shooters noch Kurse für Schießen bei Dunkelheit, Feuerkampf in und aus Fahrzeugen („Car-Shooting“) sowie Schießen aus der Bewegung.

 Impressionen vom "Car Shooting"-Kurs. Auf großes Interesse stieß das Schießen durch die Windschutzscheibe, da hier Ziel- und Treffpunkt deutlich voneinander abweichen können. Fotos: JPW

Erstmals behandelte der SFW auch das Thema „Taktische Verwundetenversorgung“ – also lebensrettende Erste-Hilfe-Maßnahmen durch Einsatzkräfte, wenn der Verletzte aufgrund der Gefahrenlage noch nicht an den Rettungsdienst übergeben werden kann. Das Team der Firma Einsatzmedizin.net vermittelte zunächst Grundlagen. Am Folgetag galt es in einer anspruchsvollen Abschlussübung, das Erlernte anzuwenden. FX-Trainingsmunition (Simunition), Irritationswurfkörper, lautstarke Beschallung und professionell geschminkte Verwundetendarsteller sorgten dabei für den notwendigen Stress.   

Stoppen starker Blutungen mittels Tourniquet, während plötzlich ein zweiter "verwundeter Kollege" auftaucht. Vorne ein Medic-Pack von Zentauron. Foto: JPW
 
Fordernder Wettkampf
Der Vergleichswettkampf unter Federführung des SEK M-V am dritten und damit letzten Veranstaltungstag bildete einen weiteren Höhepunkt. 
Zwei-Mann-Team im Wettkampf. Foto: JPW
 Vier Übungen galt es im Team zu bewältigen, dazu kamen noch zwei Einzelwertungen. Frank Thiel: „Bei dem Wettkampf geht es bei weitem nicht nur um das Schießen, sondern vor allem um Köpfchen und Taktik. Dabei sollen die Teilnehmer auch ihre Erkenntnisse aus den Workshops umsetzen.“. Neben Stages mit beweglichen Zielen, Barrikaden oder erst auf den zweiten Blick als „Freund-oder-Feind“ zu identifizierenden Zielscheiben gab es dieses Jahr auch eine „Kommunikations-Disziplin“. Hier war das Buddy-Team voneinander getrennt, je ein Schütze auf einer benachbarten Bahn ohne Sichtkontakt. 
Zielbeschreibung...



...und -bekämpfung. Fotos: JPW

 Jeder hatte vier unterschiedliche Gebäudefotografien als Zielscheiben vor sich, in deren Fenstern Golfbälle als Ziele eingebaut waren. Der Buddy gab dann anhand einer kleinen Handkarte über Funk eine genaue Beschreibung des Gebäudes sowie die Position des Zieles durch. Das musste der Schütze dann identifizierten und den jeweiligen Golfball treffen. Anschließend gab er eine Zielbeschreibung an den Buddy durch. Das ganze ging natürlich auf Zeit.

Highlight dieses Jahr bildete wiederum der Hindernisparcours, die „Abschluss-Challenge“. Die Teams starteten vorne an der Zehn-Meter-Marke in dem „Car-Shooting-Auto“ sitzend und arbeiteten sich dann über diverse Schießhalte und Hindernisse auf die 100-Meter-Marke zurück – in Einsatzbekleidung und mit einer ABC-Schutzmaske. Von dort galt es, mit Selbstlade- und Präzisionsgewehr die letzten Schüsse ins Ziel zu bringen – nach Klettern, Balancieren und Sprinten bei brennender Sonne und Temperaturen von über 30 Grad kein leichtes Unterfangen.

Schießen mit SIG 516 (hinten) und Haenel RS8 (vorne) unter ABC-Schutzmaske von Avon. Foto: JPW

Die Kategorien, in denen Wertungen vorgenommen wurden, sorgten für viele verschiedene Gewinner und Platzierte – doch aus Wettkampfergebnissen lassen sich keine Rückschlüsse auf den Einsatzwert von Spezialkräften schließen. „Dass hier Profis trainieren sieht man an dem hohen Können selbst der Kollegen, die nicht auf den vordersten Plätzen landen“, so ein Wettkampfbeobachter aus dem Innenministerium M-V.

„Kleine Messe“ - Informative Industrie
Der Special Forces Workshop hat sich auch bei der Industrie als wertvolle Austauschbörse fest etabliert und so bot eine umfangreiche Tischausstellung zusätzliche Informationsmöglichkeiten über neue Produkte und Projekte. Avon Protection, Blackhawk, Haix, 5.11 Tactical und Zentauron zeigten ihre taktische Ausrüstung und Bekleidung, Newco Safety Technologies stellte seine umfangreiche Palette an pyrotechnischen Irritationswurfkörpern vor. Sinn Spezialuhren zu Frankfurt am Main und Laco führten ihre Zeiteisen vor. Optiken und Optonik gab es bei I-E-A Miloptics, Rheinmetall Electro Optics, Schmidt & Bender und Steiner zu sehen, gleichzeitig trugen einige der Testwaffen Zielfernrohre oder Rotpunktoptiken aus diesen Häusern. Auch Aimpoint und Carl Zeiss Optronics hatten Visierungen für diverse Workshops bereitgestellt.

Sako TRG M10 in .338 Lapua Magnum (vorne) und .308 Winchester (hinten). Foto: JPW
Caracal mit neuer Verschlussform und kurzer Visierlinie. Foto: JPW
Selbstladegewehr von Tactics Group/Sport Systeme Dittrich, basierend auf dem FG42. Foto: JPW
 
Weitere „Bonbons“: Die Teilnehmer konnten brandneue Produkte ersten praktischen Tests unterziehen, darunter das neue modulare Präzisionsgewehr SAKO TRG M10, die Pistole L9 von Steyr-Mannlicher oder erste Versionen der auf dem Fallschirmjägergewehr FG42 basierenden Selbstlade- und Präzisionsgewehre der Tactics Group/Sport Systeme Dittrich. Und auch weitere Waffenhersteller wie Caracal, Haenel oder Walther zeigten ihre aktuellen Produkte und stellten sie auch zum Ausprobieren im „scharfen Schuss“ bereit.

Wirkung der MEN 9 x 19 mm Armour Piercing im Vergleich zur Polizei-Einsatzpatrone auf Stahlplatte. Foto: JPW

MEN, der Munitionsspezialist aus Nassau, führte in Kooperation mit Schmeisser die Wirkung diverser  Patronen auf Schutzwesten vor. So durchschlug die 9-mm-Trainingspatrone wie gewünscht den Aufbau der Schutzklasse 1 nicht, während sich andere Kaliber selbst von Schutzklasse-4-Westen nicht halten ließen.

Fazit
Nicht nur bei den Workshopteilnehmern stieß der 4. SFW auf ein durchweg positives Echo. „Der „Special Forces Workshop“ hat sich dank dem Engagement vieler fleißiger Helfer zu einer festen Größe im Bereich der Spezialeinheiten entwickelt. Nicht zuletzt die Schirmherrschaft und der Besuch des Ministers für Inneres und Sport M-V, Herr Lorenz Caffier, unterstreichen dies. Der SFW ist Beleg dafür, was aus einer Idee werden kann, wenn man ein Ziel konsequent verfolgt. Insbesondere die Mischung aus Vermittlung von anspruchsvollen Inhalten, Information, Erfahrungsaustausch sowie Wettkampf machen den SFW zu einer mittlerweile exklusiven Veranstaltung. Die Qualität der Veranstaltung spiegelt sich auch in dem enormen Zulauf wieder und bringt die Organisatoren jedes Jahr an ihre Grenzen.“ so der Leiter der Spezialeinheiten des LKA M-V.

Neben Fortbildungen und Wettkampf schweisst auch der kameradschaftliche Austausch die Gemeinschaft der Gesetzeshüter enger zusammen. Ein zünftiger Abschlussabend bildete dann auch den Abschluss des 4. Special Forces Workshops. Und viele Teilnehmer freuen sich schon jetzt auf die fünfte Ausgabe im nächsten Jahr.

Volltreffer! Hier mit Benelli M4. Foto: JPW
Text&Fotos: Jan-Phillipp Weisswange
Besten Dank und ein kräftiges "Horrido" an alle Organisatoren und Teilnehmer!