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Samstag, 18. Oktober 2014

Kampfkraft in urbanen Operationen - den Tunnelblick aufbrechen!

Berlin (Jan-P. Weisswange) Im August 2014 sorgten Meldungen in den Medien für Aufsehen, wonach bis zu 250 Soldaten des Deutschen Heeres bei den israelischen Streitkräften den Tunnelkampf erlenen sollten.
Israelische Kameraden erkunden im Rahmen der Operation "Protective Edge" (Sommer 2014) ein feindliches Tunnelsystem. Foto: IDF
Das ist zu begrüßen. Denn dafür spricht neben der deutsch-israelischen Kameradschaft zunächst, daß die Zahal diesbezüglich - nicht nur aufgrund der jüngsten Operation "Protective Edge" - im Sommer 2014 über einen großen Erfahrungsschatz verfügt. Weiterhin wird sich mit der weltweit zunehmenden Verstädterung das Gefechtsfeld der Zukunft ebenso urbanisieren.
Urbane Operationen umfassen deutlich mehr als den „Kampf im bebauten Gelände“. Das erfordert neue Ansätze bei Taktik, Training und Technologie. Grund also genug, den Tunnelblick aufzubrechen. Anläßlich der „2nd Urban Operations Conference der DWT“ widmet sich der S&T-Blog in diesem Grundsatzartikel dieser Thematik.


Weltweit lebten erstmals 2008 mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Der Grad der Urbanisierung liegt in Nordamerika, Lateinamerika und Europa sogar bei über 70 Prozent. Derzeit gibt es über 60 Städte mit mehr als drei Millionen Einwohnern. Die UNO rechnet, dass es schon 2030 sechs Milliardenstädte geben wird. Im selben Jahr werden nach ihren Prognosen zudem 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben.
Metropolregionen weltweit. Grafik: Universität Köln
Aufgrund dieser Trends und der oftmals strategischen Bedeutung von Städten müssen sich Streitkräfte darauf einstellen, zunehmend in urbanen Metropolregionen zu operieren. Der US-Offizier und Autor Louis A. DiMarco vertritt in seiner lesenswerten Studie „Concrete Hell“ sogar die These, dass die Kriege der Zukunft wieder durch die Eroberung oder Verteidigung von Städten entschieden werden.

Das komplexe urbane Operationsfeld
Urbane Operationen sind vor allem durch ein äußerst komplexes Umfeld gekennzeichnet. Das gilt schon für das Gelände. Viele Städte liegen an Flüssen, oft auch in Küstennähe (zwei Drittel der Weltbevölkerung lebt in Küstenregionen). Diese natürlichen Hindernisse erschweren die Kontrolle der Zugänge zu den Städten – eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg urbaner Operationen. Über- und unterirdische Bebauung unterbrechen Sichtlinien, schaffen tote Winkel, schränken Aufklärungsmöglichkeiten, Beweglichkeit und Waffenwirkung ein, hemmen die Kommunikation und kanalisieren Truppenbewegungen. Beschädigte Industrieanlagen bergen CBRNE-Gefahren. Querschläger und Trümmer einstürzender Gebäude können Waffenwirkung verstärken. Umgekehrt bietet selbst zerstörte Infrastruktur gute Deckungs-, Versteck- und Annäherungsmöglichkeiten. Hierbei ist freilich der ortskundige Verteidiger im Vorteil. Verzahnen sich Verteidiger und Angreifer, ist die Feuerunterstützung durch Artillerie oder Luftwaffe (Close Air Support/CAS, Air Surface Integration/ASI) nur eingeschränkt möglich. Improvisierte Sprengladungen und Fallen lassen sich im urbanen Umfeld variantenreich einsetzen und wirken demoralisierend.
Weiterhin hält sich trotz Kampfhandlungen oft Zivilbevölkerung auf dem urbanen Gefechtsfeld auf. Um Kollateralschäden zu vermeiden, gilt es, diese zu schonen. Doch gerade irregulär kämpfende Kräfte können sich leicht unter der Zivilbevölkerung verbergen; eine frühzeitige Unterscheidung zwischen Kombattanten, irregulären Kräften und Nichtkombattanten ist kaum möglich. Angriffe können aus allen Richtungen erfolgen.
Die Komplexität urbaner Operationen kommt in der Theorie des „Three-Block War“ zum Ausdruck, die USMC-General Charles C. Krulak Ende der 1990er Jahre publik machte. Danach müssen Streitkräfte heutzutage parallel das hochintensive Gefecht führen, Stabilisierungsoperationen durchführen sowie humanitäre Hilfe leisten können – auf einem Raum dreier zusammenhängender Häuserblocks.
US-amerikanische und irakische Soldaten operieren gegen Aufständische in Ameriyah. (Foto: U.S. Army/Sgt T. Nowland)

Dass Streitkräfte gründlich für urbane Operationen vorbereitet werden und eine „einheitliche Sprache sprechen“ müssen erscheint selbstverständlich. Zudem müssen sich die einzusetzenden Verbände schon im Vorfeld bei der Ausbildung kennengelernt haben. Dies schafft Vertrauen. Wie zwar gut ausgerüstete, aber schlecht ausgebildete und unmotivierte Verbände im urbanen Gelände durch geschickte Geländeausnutzung und Entschlossenheit aufgerieben werden können, mussten die russischen Streitkräfte während ihres Einmarsches im tschetschenischen Grosny Ende Dezember 1994 schmerzhaft erfahren.

Truppenführung in urbanen Operationen
Der Truppenführer muss bei Planung und Führung urbaner Operationen immer die strategische Dimension seines Handelns sowie des Handelns seiner eingesetzten Truppen beachten. Selbst taktische Erfolge können zu strategischen Niederlagen führen – insbesondere bei Kollateralschäden.
Voraussetzung für den Erfolg ist ein umfassendes Lagebild vom Operationsgebiet. Ein Angreifer muss den einzunehmenden Raum dann möglichst isolieren, wohingegen ein Verteidiger Verbindungs- und Versorgungswege offenhalten muss. Die weiteren Phasen umfassen das Werfen des Gegners, das Halten respektive Stabilisieren des gewonnenen Raumes und schließlich die Übergabe an zuständige Ressorts für den Wiederaufbau.
Urbane Operationen werden immer streitkräftegemeinsam, meist multinational und oft ressortgemeinsam erfolgen. Viele Manöverelemente sind auf relativ kleinem Raum zu koordinieren. Das erfordert stringente Führung mit Auftragstaktik statt Mikromanagement. Das Lagebild ist stetig zu verdichten und den anderen Führungsebenen bereitzustellen.
Spezialkräfte können die Kampfkraft in urbanen Operationen deutlich erhöhen – sei es beispielsweise durch Nachrichtengewinnung und Aufklärung, Ausschalten von Hochwertzielen, Überwachen von Bewegungen oder Geisel- und Gefangenenbefreiungen. Zu weiteren wichtigen Kampfkraftmultiplikatoren zählen Aufklärungskräfte (Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconaissance/ISTAR) einschließlich Informationsverarbeitungs- und Auswertungskapazitäten, Scharfschützen, Koordinierungselemente der streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung (STF), Kampfmittelräumer (Explosive Ordnance Disposal/EOD), Pionierexperten und Feldjäger.

Folgerungen auf taktischer Ebene
Auch auf der taktischen Ebene ergeben sich die Herausforderungen urbaner Operationen vor allem aufgrund des komplexen Gefechtsfeldes. Hier besteht nur der gut ausgebildete, intelligente, improvisationsfähige, verantwortungsbewusste und entschlossene Kämpfer.
Je nach Beschaffenheit des Geländes, den zur Verfügung stehenden Kräften und der Kampfweise des Gegners können verschiedene taktische Ansätze zum Erfolg führen. So stützten sich die Israel Defense Force bei der Eroberung von Jenin im Rahmen der Operation „Defensive Shield“ (Westbank, 1. – 11. April 2002) auf mechanisierte Infanterieverbände ab. Gepanzerte Caterpillar D9-Bulldozer räumten Sprengfallen, schufen Zugänge und ebneten Widerstandsnester ein.

Gepanzerter Caterpillar D9 der IDF (Foto: Wikipedia/Zachi Evenor)
Achzarit-Schützenpanzer folgten dicht, wobei die Grenadiere lageangepasst abgesessen kämpften. Kampfhubschrauber und Kampfpanzer überwachten die Bewegungen. Die Zahal-Fallschirmjäger wählten bei der gleichen Operation in Nablus (5. – 8- April 2002) sowie bei der Operation „Gegossenes Blei“ im Gaza-Streifen (27. 12. 2008 – 18. 01. 2009) einen anderen Ansatz.

Israelische Operation in Nablus 2002: Kleine Feuerteams überwachen Großgerät im Nahbereich (Foto: IDF)
Sie nahmen zunächst einige Gebäude, indem sie Zugänge durch die Wände schufen. Von dort aus arbeiteten sie sich wurzelwerkartig weiter durch die Wände der angrenzenden Gebäude vor. Mit dieser „rhizomatischen Kriegführung“ mieden die Paras nicht nur die leicht mit Sprengfallen zu versehenden Türen und Fenster. Weiterhin exponierten sie sich kaum der feindlichen Sicht.
Weitere internationale Erfahrungen zeigen, dass schon auf den unteren taktischen Ebenen gesonderte Gliederungen einzunehmen sind. Dabei werden Infanteristen und Grenadiere als wesentliche Träger des Kampfes im bebauten Gelände durch Spezialisten wie Pioniere oder Kampfmittelräumer verstärkt werden. Vorzugsweise werden sich kleinere, hochmobile und feuerstarke Trupps auf dem Gefechtsfeld bewegen, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Großgerät wird grundsätzlich im Nahbereich gesichert oder überwacht.

Aufklärungs- und Führungsmittel
Um gegnerische Kräfte, Hinterhalte, Sprengfallen und Geländeverstärkungen schnell entdecken, erkennen und identifizieren zu können, fällt gerade in urbanen Operationen leistungsfähiger Sensorik eine Schlüsselrolle zu. Loiterfähige Unmanned Aerial Systems (UAS) tragen zum Verdichten des Lagebildes bei. Wendige Drehflügler-UAS lassen sich im urbanen Umfeld gut einsetzen und können je nach Größe auch in Gebäude eindringen. Die fortschreitende Miniaturisierung erlaubt es, selbst auf Gruppen- oder sogar Truppebene unbemannte Systeme wie Mini- und Mikrodrohnen in der Luft und am Boden einzusetzen.
Nachtkampffähigkeit muss rund um die Uhr gewährleistet sein, um den Gegner auch tagsüber in dunklen Gebäuden, U-Bahn-Schächten, der Kanalisation oder Kellern zu werfen.
Leistungsfähige Soldatensysteme, die den Einzelschützen in die Vernetzte Operationsführung einbinden, können wesentlich zum Erfolg auf dem urbanen Gefechtsfeld beitragen. Unbedingte Voraussetzung hierfür ist allerdings eine intensive Ausbildung im Vorfeld, so dass alle eingesetzten Kämpfer auf allen Ebenen Hard- und Software sowie die Meldungs- und Führungsverfahren „blind“ beherrschen.

Bewaffnung
In urbanen Operationen kommt der gesamte infanteristische Werkzeugkasten zum Einsatz. Da hohe Beweglichkeit, hoher Munitionsbedarf und kürzere Kampfweiten das Gefecht im bebauten Gelände kennzeichnen, ergeben kürzere Sturmgewehre oder – mit Einschränkungen (suboptimal beim Anschlag von der schwachen Schulter!) Waffen in Bullpupbauweise – in kleinen oder Mittelkalibern (z. B. 5,56 x 45 mm, 7,62 x 39 mm, 7,62 x 35 mm, 7,92 x 33 mm) als Querschnittsbewaffnung Sinn. Auf Gruppenebene sollten zumindest ein leichtes MG (Squad Automatic Weapon/SAW) wie FN MINIMI oder HK MG4 sowie ein Universalmaschinengewehr im „klassischen“ 7,62 x 51 mm vorhanden sein. So steht der Gruppe eine Schwerpunktwaffe im größeren Kaliber zur Verfügung, bei Bedarf lässt sie sich aber auch in zwei Feuerteams mit jeweils einem MG umgliedern.
Wie erwähnt, fällt Scharfschützen in urbanen Operationen eine Schlüsselrolle zu. Sie tragen zur Verdichtung des Lagebildes bei, überwachen die Bewegungen eigener Kräfte und schalten feindliche Scharfschützen („Counter-Sniping“) und andere Angreifer aus. Wie erfolgreich sie sein können, zeigt das Beispiel des US Navy SEALs Chris Kyle, der während vier Einsätzen im Irak auf 160 bestätigte Abschüsse kam. Leistungsfähige Scharfschützengewehre und Anti-Material Rifles ermöglichen hohe Reichweiten auch durch Deckungen hindurch. Auf Gruppenebene sorgt der Zielfernrohr (ZF)-Schütze mit einem ZF-Selbstladegewehr (Designated Marksman Rifle/DMR) in 7,62 x 51 mm oder einem vergleichbaren Kaliber für präzise Schüsse auf höhere Reichweiten.
Zu den Kampfmitteln im urbanen Gelände gehören weiterhin Handgranaten. Um Gegner hinter Deckungen erfolgreich bekämpfen zu können sind inzwischen luftsprengpunktfähige („Air Burst“) Versionen mit Splitterwirkung verfügbar. Ebenso eignen sich hierfür durch Explosionsdruck („Blast“) wirkende Handgranaten.
Wirkung der RGW90AS. (Foto: JPW)
Die vielseitigste Kampfmittelpalette stellt die 40-mm-Munition dar. Sie reicht von der Less-Lethal Weapon (LLW) bis hin zur hochwirksamen Air-Burst Munition. Die Infanteriegruppe wird künftig neben dem ZF- einen Granatgewehrschützen haben. Dieser könnte dann beispielsweise eine Waffe wie den bei Rheinmetall in Entwicklung befindlichen magazingeladenen Automatischen Granatwerfer Hydra führen.
Panzerabwehrhandwaffen wurden und werden exzessiv auf urbanen Gefechtsfeldern eingesetzt, am meisten wohl die russische RPG-7 und deren Varianten. Einerseits dienen sie dem ursprünglichen Zweck, denn gerade aus höher gelegenen Stockwerken lassen sich die auf der Oberseite weniger stark geschützten Gefechtsfahrzeuge erfolgreich bekämpfen. Andererseits können Panzerabwehrhandwaffen auch gegen Ziele in Gebäuden wirken. Höhere Effekte erzielt hier Anti-Struktur-Munition. Mit ihr lassen sich auch Durchgänge schaffen, um in Gebäude einzudringen. Beispiele für aktuelle Entwicklungen sind die deutsche „mehrrollenfähige schultergestützte Unterstützungswaffe Infanterie“ (alias „Wirkmittel 90“ von Dynamit-Nobel Defence). Anti-Struktur-Munition ist auch für Panzerabwehrlenkflugkörper verfügbar, etwa Milan XP.
Mörser als infanteristische Steilfeuerkomponente sowie Spezialwaffen ergänzen das Arsenal. Zu letzteren gefürchteten Vertretern zählt die RPO Shmel-Baureihe aus russischer Produktion, die es mit thermobarischer Wirkladung, Brandladung und als Nebelgranate gibt.

Bekleidung und persönliche Ausrüstung
Gerade im urbanen Umfeld gilt es, bei Bewaffnung und Ausrüstung zwischen Mobilität und Schutz abzuwägen. Derzeit setzt sich eher wieder die Philosophie durch, wonach Wirkung vor Deckung geht und hohe Mobilität auch Schutz bietet. Und das bedeutet: Weniger (Schutz-)ausrüstung ist manchmal mehr.
Eindringen über Fahrzeuge. Knieschoner, Leitern und Halligan-Tool ergänzen die Ausrüstung (Foto: Bundeswehr/PIZ Heer)

Am wenigsten verzichtbar bleibt dabei noch der Kopfschutz. Der Gefechtshelm sollte sich gut mit Gehör-, Augen- und ggf. Atemschutz sowie Kommunikationsmitteln kombinieren lassen. Individuell anpassbare Schutz- und Trageausstattungen erlauben es dem Kämpfer, sich für den jeweiligen Einsatzzweck optimal zu konfigurieren.
Eine modular aufgebaute, leichte aber robuste, atmungsaktive Kampfbekleidung mit integrierten oder zurüstbaren Protektoren für Knie und Ellenbogen, flammhemmenden Eigenschaften sowie geeignetem Tarnschema ist ebenfalls zweckmäßig. W. L. Gore und Lindnerhof-Taktik haben hier kürzlich ihre Kampfuniform aus Gore Pyrad-Material vorgestellt.
In urbanen Operationen muss darüber hinaus Zusatzausrüstung zur Förderung der Beweglichkeit und zum Schaffen von Zugängen mitgeführt werden. Hierzu zählen Leitern, Kletterausrüstung, Hämmer, Brechstangen, „Halligan-Tools“, Spitzhacken und Sprengmittel.

Großgerät
Großgerät ist auf dem urbanen Gefechtsfeld vor allem aufgrund eingeschränkter Beweglichkeit, Beobachtungsmöglichkeiten und Wirkungsmöglichkeiten verwundbarer als in „klassischen“ Operationen. Das zeigen die Verluste der syrischen Streitkräfte im Häuserkampf in den Rebellenhochburgen. Dennoch gibt es – wie oben am Beispiel der IDF beschrieben – Ansätze, Großgerät bei urbanen Operationen erfolgreich einzusetzen. Auch die syrischen Streitkräfte passten zwischenzeitlich ihre Taktiken an.
Marine-Tankers (hoooah!) geben mit ihrem Abrams M1A1 2004 in Fallujah Feuerunterstützung (Foto: USMC)
Grundsätzlich erweist sich der Schützenpanzer für urbane Operationen als am besten geeignet, bietet er doch neben Mobilität, Sensorik und Waffenwirkung noch Absitzstärke. Leistungsfähige, mitunter airburstfähige Mittelkalibermunition wirkt darüber hinaus effektiv gegen Ziele im bebauten Gelände.
Kampfpanzern können erfahrungsgemäß psychologisch auf den Gegner wirken. Sie können den urbanen Kampf sowohl „mit Kette“ als auch mit ihren Bordwaffen führen. Hierfür gibt es geeignete Mehrzweckmunition, etwa die programmierbare 120-mm-DM11, die entweder beim Aufschlag, nach dem Durchschlagen einer Deckung oder an einem Luftsprengpunkt vor und über dem Ziel detoniert. Das US Marine Corps setzte die DM11 bereits erfolgreich ein. Sekundärbewaffnungen wie Waffenstationen mit großem vertikalem Schwenkbereich sowie eine Überwachungssensorik im Nahbereich steigern Kampfkraft und Überlebensfähigkeit von Panzern und anderen Gefechtsfahrzeugen im urbanen Einsatz zusätzlich. Dennoch werden sie vorzugsweise durch abgesessene Kräfte gesichert.
Hubschrauber wie der EC 645 T2 können nicht nur Spezialkräfte schnell an den Einsatzort verlegen, sondern auch Feuerunterstützung leisten. (Foto: Eurocopter)

Auch artfremd eingesetztes Großgerät kann in urbanen Operationen hohe Wirkung erzielen. So bekämpften die russischen Streitkräfte in Grosny mit dem Flugabwehrpanzer ZSU 23-4 dank des schnell schwenkbaren Turmes und der vier nahezu vertikal stellbaren Mittelkalibermaschinenkanonen tschetschenische RPG- und Scharfschützentrupps selbst in höher liegenden Stockwerken sehr effektiv. Ein Flakpanzer Gepard hätte für die Bundeswehr in urbanen Operationen ähnliches leisten können.
Hubschrauber können Truppen selbst in kleinen Landezonen oder auf Gebäuden absetzen oder wieder aufnehmen, Verbände am Boden überwachen und Luftnahunterstützung leisten.
Riverine Patrol Boat und Riverine Combat Boat der US Navy (Foto: US Navy)
Zum exotischeren, aber mitunter erforderlichem Großgerät zählen schließlich noch schnelle, wendige Flußpatrouillenboote mit hoher Feuerkraft. Hierdurch lassen sich gegnerische Bewegungen über Küsten- und Binnengewässer kontrollieren oder unterbinden.

Ausblick
„Orts- und Waldränder sind mit Sc#*§§e beschmiert“, lautet eine taktische Weisheit der mobilen Operationsführung, die bebautes Gelände meidet. Doch selbst hochmobile mechanisierte Verbände werden sich mehr und mehr auf urbanen Gefechtsfeldern bewähren müssen.

In urbanen Operationen empfiehlt es sich mitunter, sehr genau in die Röhre zu gucken. (Foto: IDF)
Das gilt derzeit vornehmlich für Einsätze im erweiterten Aufgabenspektrum fernab der Heimat. Doch angesichts der zunehmenden Verstädterung Europas erscheint es denkbar, dass weltweit operierende Gegner ihren Kampf in unsere Städte tragen werden. Und obwohl es derzeit unwahrscheinlich erscheint, müssen Streitkräfte Städte von strategischer Bedeutung letztlich auch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung wirkungsvoll schützen können. Auf all diese Szenarien muss sich eine verantwortungsvolle staatliche Sicherheitsvorsorge einstellen. Ressortgemeinsame Prävention ist dabei erfolgversprechender als unkoordinierte Reaktion. Maßnahmen zur Implementierung einer leistungsfähigen ressortgemeinsamen Nachrichtengewinnung und Aufklärung, vorbereitende Abstimmungen zum Schutz kritischer Infrastruktur, Beschaffung geeigneter Ausrüstung sowie intensives Training auch in neuartigen urbanen Gefechtsgliederungen sind nur einige Beispiele für Handlungsmöglichkeiten. Wichtig ist es, den Tunnelblick aufzubrechen. Sonst schaut man in die Röhre.

Anmerkung: Dieser Artikel ist eine leicht aktualisierte Fassung meines Beitrags „Kampfkraft in urbanen Operationen“ erschienen in ES&T 9/2013, S. 44 - 48. Konferenzteilnehmern der „2nd Urban Operations Conference“ stehe ich natürlich auf der Tagung oder bei einem „Taktischen Nachteulen Collegium“ für einen Gedankenaustausch zur Verfügung.